Das Handwerk kann wie jede andere Arbeit nur im Frieden gedeihen. Der Frieden liegt deshalb im Interesse von Handwerkerinnen und Handwerkern, der Krieg nicht. Diese Haltung haben mehr als 200 „Handwerker für den Frieden“ auf ihrem Kongress am 2. April im Technikmuseum „Hugo Junkers“ in Dessau erneut zum Ausdruck gebracht. Mit der Journalistin Gabriele Krone-Schmalz hatten sie eine prominente Unterstützerin gewonnen.
Die Handwerker machten nicht zum ersten Mal auf sich aufmerksam. Doch der Kongress markiert eine neue Etappe in ihrem bisherigen öffentlichen Auftreten, dem es an Selbstbewusstsein nicht mangelt. Der gemeinsame Protest begann im August letzten Jahres mit Obermeisterbriefen von Kreishandwerkerschaften, in denen der Krieg als Mittel der Politik abgelehnt wird. „Keine Waffenlieferungen in die Ukraine! Friedenspolitik statt Krieg! Dieser Konflikt wird nicht militärisch zu lösen sein“, hieß es in diesen Briefen, die unter anderem an Bundeskanzler Olaf Scholz adressiert waren.
Man sah die Handwerker auf der Straße mit Friedensplakaten und Losungen, in denen gefordert wurde, die verheerenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu beenden, weil sie sich massiv gegen die eigene Bevölkerung und Wirtschaft richten. Bekannt ist das couragierte, auch schon mal ins falsche Licht gerückte Auftreten von Karl Krökel, Kreishandwerksmeister aus Dessau und maßgeblicher Mitgestalter von Aktivitäten in München, Bremen und in Berlin.
Selber denken und einmischen
Krökel eröffnete am 2. April in Dessau den sehr gut besuchten Kongress. Er bezeichnete es als erschreckend, wie sich Medien und Politik so einseitig in den Ukraine-Krieg haben hineinziehen lassen. Die Ereignisse von 2014 in der Ukraine würden konsequent verschwiegen. Der Handwerksmeister zog eine Bilanz dieser Kriegspropaganda und zeigte deren Konsequenzen und Grenzen auf. Zielstellung des Kongresses sei es, „über friedliche Mittel und Wege der Konfliktlösung zu beraten“. Er forderte ein selbstbewusstes Auftreten von Bürgerinnen und Bürgern: Wenn das Verstehen verboten werde, wenn die Analyse verboten werde, dann schlage die Stunde der Demokratie.
Mit Spannung erwartet wurde die Rede der Journalistin Gabriele Krone-Schmalz. Die Autorin von Büchern wie „Russland verstehen – Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens“ und „Eiszeit – Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist“ wurde wegen ihrer objektiven Berichterstattung zu Russland wiederholt angegriffen. Sie brachte auf den Punkt, wie der sogenannte Qualitätsjournalismus die Wahrheit über Russland und den Krieg verdreht – und bekam dafür stehende Ovationen. Die Verdrehung beginne bei der Geschichte des Zerfalls der Sowjetunion und der Geschichte und der Vorgeschichte des Krieges und setze sich fort bei der Berichterstattung über die Rolle von Wladimir Putin und die NATO-Strategie. Krone-Schmalz beschrieb in sehr klaren Worten die Auswirkungen der derzeitigen medialen Berichterstattung, die sich mit zunehmender Gleichschaltung charakterisieren lässt, ohne dass sie diese Begrifflichkeit benutzte.
Die als überzeugte Pazifistin bekannte Rednerin ließ Befürwortern einer Politik, die Waffenlieferungen höher bewertet als Verhandlungen und Diplomatie, keinen Fußbreit. Von der Kriegsrhetorik bis zur Kriegsbereitschaft sei es nur ein kleiner Schritt. Ihre Rede war ein aufrüttelnder Appell an die Courage der Menschen in diesem Land, sich selbstbewusst und selbstbestimmt in alle Belange einzumischen.
Appell gegen die Vereinzelung
Der Physiker und Konfliktforscher Jürgen Scheffran ging in seinem Vortrag auf die Auswirkungen der Vorbereitung und Führung von Kriegen für die Umwelt ein. Er lieferte wichtige Argumente gegen Kriege, um die natürlichen Lebensbedingungen der Menschen zu erhalten, deren Zerstörung bewusst auch als Waffe im Krieg eingesetzt werde. Vor allem der Einsatz von Atomwaffen erweise sich als völlig sinnlos. Die Friedensbewegung sei daher untrennbar mit der Umweltbewegung verbunden wie auch mit der Grundrechtebewegung. „Selbst zwischen Feinden ist es möglich, globale Probleme gemeinsam zu lösen“, so sein Appell.
In drei Foren wurden anschließend teilweise kontrovers, aber nie verletzend diskutiert. Es wurden Meinungen, Vorschläge und Informationen zum Kampf für den Frieden ausgetauscht, Wissen vertieft, neue Erkenntnisse gewonnen. In einer Diskussionsrunde mit Christiane Reimann („Die Linke“) ging es um die Gefahr der Selbstvernichtung – physisch, ökonomisch, sozial und politisch – durch die Konfrontation zwischen der NATO und Russland. „Raus aus der NATO“ und die Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags waren hier grundlegende Orientierungen. Ebenso die große tektonische Verschiebung in der Welt durch den Hegemonieverlust der USA. In einem von Reiner Braun (International Peace Bureau) geleiteten Forum erörterten die Teilnehmer die Notwendigkeit und Perspektiven einer neuen europäischen Sicherheitsordnung. Auch hier spielte die Überlegung, dass wir einen Kampf der Systeme erleben, eine Rolle. Der Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland, seine Ursachen und verheerenden globalen Auswirkungen waren die Themen einer von Karl Krökel moderierten Diskussion. Aus den Foren ergab sich in großer Einigkeit: Unsere Herren sind es, die uns entzweien.
Minimalkonsens statt Ausgrenzeritis
Bemerkenswert waren die Ausführungen von Reiner Braun in der abschließenden Podiumsdiskussion. Ein leidenschaftlicher Aufruf, sich basisdemokratisch einzumischen in die Politik, wobei er die Gewerkschaften besonders hervorhob. „Diplomatie von unten“ – war ein solcher Gedanke. Gemeinsam auf die Straße gehen, der „Ausgrenzeritis“ den Kampf ansagen, einen „Minimalkonsens“ finden. Es sei kein Zufall, so Braun, dass die „Handwerker für den Frieden“, die eine große Errungenschaft seien, aus dem Osten kommen – „der Osten ist einfach rebellischer“. Der Grundpfeiler der Friedensbewegung müsse die Solidarität sein.
Brauns These, als Linker könne man doch nur „rechtsoffen“ sein, wurde zwar mit viel Beifall bedacht, aber auch sehr kritisch diskutiert. Sehr grobkörnig hatte der Friedensaktivist gefragt, wo denn die Bündnispartner sonst herkommen sollten. Sie stünden doch alle „außerhalb von links, also rechts“. Die Begriffe rechts und links sind hier sicherlich zu abstrakt gefasst.
Am Ende sei noch der Beitrag von Peggy Lindemann erwähnt, die im PCK Schwedt arbeitet. Die junge Kollegin berichtete von ihrer Enttäuschung, weil sie keine Unterstützung von ihrer Belegschaft bekommen hatte, als sie Kanzler Scholz bei seiner Stippvisite in Schwedt kritische Fragen gestellt hatte. Diese Passivität erklärte sie vor allem mit der Existenzangst der Kolleginnen und Kollegen.
Der Kongress der „Handwerker für den Frieden“ war ein Erfolg. Die Teilnehmer kamen aus dem ganzen Land – und auch internationale Gäste waren da. Wollte man den Inhalt auf einen Nenner bringen, so wäre das von der Moderation gewählte Wort „Brückenbauer“ durchaus angebracht. Denn um die Handwerker schlechthin ging es nicht. Schließlich waren etliche Zusammenschlüsse der Friedensbewegung vertreten, die ihre Standpunkte und Materialien hinterließen. Es ging um die Ausweitung der Friedensbewegung und um das couragierte Auftreten der Bürgerinnen und Bürger zur Verteidigung ihrer demokratischen Rechte. Der Kongress sollte ein Anfang sein.
Die Beiträge der Konferenz werden in einer Broschüre mit einem Vorwort von Gabriele Krone-Schmalz veröffentlich. Die „NachDenkSeiten“ haben mit der Publizistin am Randes des Kongresses ein sehr interessantes Interview geführt, das wir mit freundlicher Genehmigung der „NachDenkSeiten“ in unserem Blog veröffentlichen.